Kloster St. Ottilien in Bayern
Kloster St. Ottilien in Bayern

 

Dem Alltag so fern

Coaching im gleichförmigen Rhythmus
des klösterlichen Lebens

Wie ich zum Coaching ins Kloster kam – und wie gut dieser Rahmen für die innere Arbeit war.

Der vereiste Raureif knirscht unter meinen Füßen, als ich mich von unserem Gästehaus auf den Weg zum Gottesdienst mache. Aus dem Dunkel des Februarmorgens trete ich in die von Kerzen erleuchtete Kirche. In einer der Bänke entdecke ich meinen Kunden, in seine dicke Winterjacke gehüllt. Wir nicken uns freundlich zu, als hätte dieser Moment etwas Feierliches. Mit etwas Abstand nehme ich neben ihm Platz. Die Mönche ziehen ein. Gesang, Gebet, Predigt.

Eine knappe Stunde später sitzen wir mit ein paar anderen Gästen an einem großen Tisch im Speisesaal. Ein Ehepaar in seinen Fünfzigern, ein Vater mit seinem Teenager-Sohn, eine Frau Anfang dreißig. Mein Kunde und ich. Einer der Mönche – der in seinem früheren Leben IT’ler in einem großen Unternehmen war – nimmt das Frühstück mit uns ein. Die Atmosphäre ist auf angenehme Weise ruhig, die wenigen Worte unter den Gästen freundlich und zugewandt.

Wir machen uns an die Arbeit: das Kloster hat uns einen kleinen Besprechungsraum zur Verfügung gestellt, ein karges Zimmer, das für die nächsten drei Tage zur Zukunftswerkstatt meines Kunden wird. In der wir viel sprechen und zwischendurch nachdenklich schweigen werden, in der immer mehr bunte Post-it's die sonst blassen Klosterwände färben. In der die Gedanken und Emotionen meines Kunden frei fließen können. In der Ideen kommen und verworfen werden, wir Jahre zurück blicken und nach vorne schauen. In der wir Optionen ausloten und seine Roadmap entsteht.

Memento Money: Werk des österreichischen
Künstlers Nychos in St. Ottilien

Unsere Arbeit ist eingebettet in den Rhythmus des klösterlichen Lebens: dem Takt aus Morgenandacht, Frühstück, unseren Arbeitsstunden, dem Mittagessen und einer herrlichen kleinen Mittagsruhe, unseren Spaziergängen, schweigend durch die vereisten Felder, der abendlichen Andacht und einer frühen Nachtruhe. Ich spüre deutlich, wie dieser äußere Rahmen schon nach wenigen Stunden zu einer inneren Ruhe führt. Natürlich könnte ich Anteil nehmen am geschäftigen Treiben dieser Welt – ein Griff zu meinem Smartphone würde reichen. Und es tut meinem Kunden und auch mir gut, genau das nicht zu tun: uns stattdessen auf die inneren Prozesse zu fokussieren. Dem Raum zu geben, was plötzlich – genau aus dieser inneren Ruhe heraus – entsteht.

Und es entstehen in diesen drei Tagen konkrete Bilder davon, woran mein Kunde sein Leben ausrichten möchte. Mit welchen Menschen er Kontakt aufnehmen, welche Fragen er klären, welche Weichen er stellen wird. Ihm wird auch klar, was er loslassen möchte und von was es Abschied zu nehmen gilt.

Nach dem Frühstück begleitet mein Kunde mich die paar Meter zum Kloster-eigenen Bahnhof. St. Ottilien ist das einzige Kloster in Deutschland mit eigenem Bahnanschluss. Die Sonne geht gerade auf, als die Regionalbahn abfährt und ich durch's Fenster in das Gesicht meines Kunden schaue. Der mich freudig anlächelt und dann zurück ins Kloster geht, wo er noch einen Tag für sich sein möchte. Damit all das Nachwirken kann, bevor er zurückkehrt in seinen schnell getakteten Alltag.

Die ersten Gespräche seien geführt und er habe seine Roadmap klar im Blick, schreibt er mir ein paar Tage später. Er sei voller Zuversicht.

 

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